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Produzierende Wirtschaft

Zirkularität und Effizienz entlang der Lieferkette

Die Entwicklung zu einer ressourceneffizienten Kreislaufwirtschaft ist nicht nur ein maßgeblicher Baustein zur Erreichung der aktuellen Klima- und Umweltziele, sondern bietet richtig verstanden auch große wirtschaftliche Entwicklungsmöglichkeiten. Wesentlich dabei ist das Verständnis von Kreislaufwirtschaft als ein umfassendes Modell zur Transformation der industriellen Wertschöpfung.

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Bildnachweis: pixabay.com

Dieser Übergang von der Linearwirtschaft zur Kreislaufwirtschaft erfordert allerdings geänderte Prozesse und Beziehungen entlang der Supply Chain. Funktionierende zirkuläre Geschäftsmodelle brauchen adaptierte Innovationsprozesse (Stichwort Co-Creation). Kreislauffähige Warenströme benötigen passgenaue Logistikprozesse und aufgrund stärkerer wechselseitiger Abhängigkeiten auch intensivierte Unternehmenskooperationen und Netzwerke entlang der Lieferkette. Diese Transformation bedarf Vertrauen, Flexibilität und Innovation.

In einem Webinar Ende November 2022 diskutierten Expert:innen und Praktiker:innen wie österreichische Unternehmen Kreislaufwirtschaft und Ressourceneffizienz in ihre Lieferkette bekommen und welche Rolle Kooperationen, Logistik und auch Regionalisierung dabei spielen.

Das Webinar organisiert durch das Ressourcen Forum Austria war Teil der “Webinarreihe zur Förderung von Kreislaufwirtschaftsaktivitäten in Österreichs Produktionsbetrieben“, finanziert durch das Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie. Kooperationspartner waren die Industriellenvereinigung Salzburg, Reffnet.ch sowie die STENUM GmbH.

Dieses Webinar wurde finanziert durch das:

Kreislaufwirtschaft als Wegbereiter nachhaltiger Lieferketten

Die Weltwirtschaft ist nach wie vor erst zu 8,6% zirkulär! Mit diesem Befund, der zugleich als Handlungsanforderung verstanden werden kann, startete Marc Hetzer, Leiter für Sustainable Supply Chain & Circular Economy bei Ernst & Young in der Schweiz und Teil des dortigen globalen Kompetenzteams für Kreislaufwirtschaft in seinen Impuls. Politik, Wirtschaft und Gesellschaft verstehen diesen Befund, genauso wie DIY- und CE-Enthusiast Hetzer als Imperativ. Das zeigt sich daran, dass der aktuelle Transformationsprozess zu mehr Zirkularität und Effizienz nicht nur von regulatorischen Rahmenbedingungen angetrieben, sondern eben auch von der Wirtschaft selbst verstärkt wird. Neben dem wachsenden Druck von Regulierungsbehörden, zirkuläre Ökosysteme einzuführen, Abfallwirtschaftsrichtlinien zu erreichen und Treibhausgasemissionen zu mindern, tritt immer mehr auch der Markt als Antrieb auf:

  • Unternehmen wenden grüne Richtlinien an, um auf dem Markt wettbewerbsfähig zu bleiben, Kosten zu senken und die betriebliche Effizienz zu verbessern,
  • Investoren drohen mit Desinvestitionen oder stimmen gegen Unternehmen, die ihre Umweltauswirkungen nicht offenlegen oder verbessern,
  • Steigende Strom- und Kraftstoffkosten führen dazu, dass nach umweltfreundlichen Alternativen gesucht wird, die zu erheblichen Preissenkungen führen können,
  • in mehr als 90 % der einzelnen Produktkategorien übertraf das Wachstum der nachhaltig vermarkteten Produkte das Wachstum ihrer jeweiligen Kategorien.

Um die Zielsetzung der Kreislaufwirtschaft zu erfüllen, und trotzdem wettbewerbsfähig zu bleiben, stehen Unternehmen in einer arbeitsteilig organisierten Wirtschaft unter anderem vor der Herausforderung ihre Wertschöpfungskette kreislauffähig zu gestalten. Und dies zu einer Zeit, in der die Lieferketten bereits von anhaltenden Herausforderungen stehen. Was dies genau bedeutet, veranschaulichte Hetzer mit Industriebeispielen entlang eines sechsstufigen Schemas mit folgenden Handlungsebenen:

  • Design: Ökodesign, verlängerte Lebensdauert, Ermöglichung von Recycling
  • Sourcing: Lieferantenauswahl, Materialauswahl, Materialreduktion und Produktion
  • Make: Herstellungsverfahren, Verwendung von Nebenprodukten, Verpackung
  • Logistics: Vertriebswege, Transportverpackungen, Neue Vertriebswege, Neue Angebote wie Leasing, Sharing
  • Use: Nachhaltiger Produktkonsum, Reparaturdienste, Management am Ende des Lebenszyklus
  • Cycling: Retourenlogistik, Materialsortierung, Materialbearbeitung und -aufbereitung, Innovationen

Profit durch die wahren Hebel der Kreislaufwirtschaft

Dabei verwies er immer wieder auf die so genannten R-Strategien (u.a. Reuse/Repair/Recycle) und betonte, die Notwendigkeit die Kreislaufwirtschaft nicht nur als Recyclingwirtschaft zu betrachten, sondern die größeren Hebel (zB die Produktlebensdauer) anzugehen. Zwar bestehen auch in Bezug auf den Einsatz von Recyclingmaterialien sowie die Recyclingfähigkeit von Produkten große Chancen um die Zirkularität der Weltwirtschaft zu erhöhen, doch erst mit geänderten Geschäfts- und Verkaufsmodellen (weg von einem reinen Verkaufsmodell hin Modellen die Nutzen statt Besitzen fokussieren) in Verbindung mit adaptiertem Produktdesign, können Unternehmen auch die betriebswirtschaftlichen Benefits einer Kreislaufwirtschaft abholen. Als Positivbeispiel nannte Hetzer unter anderem einen mittelständischen Wasserzählerhersteller, der durch ein adaptiertes Geschäftsmodell, die Adaption des Produktdesigns und das konsequente Setzen auf Remanufacturing seine Marge deutlich steigern konnte. Bei Ernst & Young nimmt man aktuell eine immer stärker steigende Motivation bei Betrieben wahr, einzelne Aspekte der Kreislaufwirtschaft in die eigenen Unternehmensprozesse und Geschäftsmodelle zu implementieren.

Zirkularität und Effizienz entlang der Lieferkette in der unternehmerischen Praxis

Im zweiten Teil des Webinars stellten zwei Betriebe, die beide mit Ihren Produkten dazu beitragen, dass Gedanken, Texte und Bilder zu Papier kommen, Ihre Maßnahmen zu Zirkularität und Effizienz entlang der Lieferkette dar. Den Beginn machte Roswitha Sandwieser, Leiterin für Produktentwicklung und Innovation bei der gugler GmbH, einem Vorreiter der Kreislaufwirtschaft in der Druckbranche. Roswitha Sandwieser erzählte von Prozess der Cradle-to-Cradle-Zertifizierung bei Gugler. Gugler bietet seit 2011 Cradle-to-Cradle-Silver-Certified Druckprodukte an – und war damit weltweit die erste Druckerei überhaupt. 2020 war Gugler dann wiederum die erste Druckerei, welche die Cradle-to-Cradle-Gold Zertifizierung erreichte und ist in der EU nach wie vor die einzige. Mit dieser Zertifizierung sollen unter anderem branchenübergreifend toxische Stoffe aus der gesamten Lieferkette eliminiert werden.

Transparenz in der Lieferkette durch Kreislaufwirtschafts-Zertifizierungen

Vorteil einer Zertifizierung wie Cradle-to-Cradle ist die deutlich erhöhte Transparenz in der eigenen Lieferkette. Gugler hat es erreicht über 7 Lieferantenebenen hinweg Transparenz zu schaffen. Die Grenzwerte der existierenden Sicherheitsdatenblätter waren dafür nicht ausreichend, da die Grenzwerte wesentlich strenger sind. Mittlerweile kann man auf über 80 zertifizierte Komponenten zurückgreifen und bietet sogar zertifizierte Pappe und zertifiziertes Recyclingpapier.  Neuerdings bietet Gugler seinen eigenen Kunden auch ein Rücknahmesystem von nicht verwendeten Drucksorten an, um auch hier zur Kreislaufschließung beitragen zu können.

Die angesprochene Transparenz ist allerdings nicht ohne digitale Unterstützung möglich. Hierfür gibt es aber oft noch keine eigenen Branchenlösungen, viele digitalen Lösungen müssen selbst entworfen werden. Die üblichen Unternehmenssoftware-Anbieter haben noch keine geeigneten Anbindungen. Nicht nur deshalb wünscht sich Gugler Nachahmer aus der eigenen Branche und hat sogar eine eigene Print-the-change Genossenschaft, ein weltweites Netzwerk aus Öko-Druckereien gegründet.

Tradition trifft Ressourcenschonung & Regionalität

Mit der Brevillier Urban & Sachs GmbH & Co KG  stellte danach ein traditionsreicher Büroartikelhersteller seine Maßnahmen in punkto Kreislaufwirtschaft vor und ging dabei vor allem auf die Frage regionaler Produktbeschaffung ein.

Anhand der Entwicklung seines Betriebes zeigte Walter Rabitsch, langjähriger Werksleiter zu Beginn die großen Veränderungen durch Globalisierung und Desintegration auf und berichtete im Anschluss über praktische Ansätze, die Lieferkette wieder zu regionalisieren und Produkte regional zu wirtschaftlich vertretbaren Preisen beziehen zu können. Die Strategie regionaleren Bezugs trägt einerseits dazu bei, Lieferkettenrisiken unter anderem durch Lieferantenstreuung zu reduzieren, aber auch Transporte und Transportkosten einzusparen, Währungsschwankungen zu entgehen und engere Kunden-Lieferantenbindungen aufzubauen. Die eigene Positionierung in der Lieferkette und der Umfang der Internalisierung wurde sorgfältig analysiert. Man entschied sich nicht selbst in die Forstwirtschaft und Sägeindustrie einzusteigen, sondern sich auf die Suche nach heimischen, nach Möglichkeit zertifizierten Lieferanten zu machen. Die Umstellung im Bezug war allerdings nicht einfach. Das Anforderungsprofil an das Vormaterial ist sehr komplex. Bestehende große Sägewerke sind spezialisiert und kleinere lokale Lieferanten können zum Teil die Anforderungen bestimmter Zertifizierungen (FSC, PEFC) nur eingeschränkt erfüllen, so Rabitsch. Aktuell setzt man deshalb regionales Material nur bei der Herstellung von kleinen, exklusiven Sets ein und bemüht sich weiterhin um die Gewinnung heimischer größerer Lieferanten. Brevillier Urban & Sachs bleibt das Anliegen eine Herzensangelegenheit. Manchmal heißt Kreislaufwirtschaft auch, sich im Kreis zu drehen, so Walter Rabitsch.

Diskussion und Erfahrungsaustausch

In der Diskussion mit dem Publikum wurden unter anderem die Motivation der Betriebe beim Setzen von Kreislaufwirtschaftsmaßnahmen diskutiert. Viele Betriebe setzen Maßnahmen nicht (nur) aus ökologischen Gründen, sondern gerade um die berechtigte Sorge für zukünftiger Wettbewerbsfähigkeit. Erfolgsfaktoren bei der Umsetzung von Kreislaufwirtschaftsfakten sind unter anderem der intensivierte Beziehungsaufbau zwischen Unternehmen entlang der Lieferkette, Mut, vertrauen und Misserfolgstoleranz sowie der Verankerung der Kreislaufwirtschaftsprinzipien in der gesamten Organisation. Digitalisierte Prozesse sind für viele Schritte unabdingbare Herausforderung. In Bezug auf eine rasche Umsetzung einer durchgängigen Digitalisierung und des digitalen Produktpasses wurde allerdings Skepsis laut, da auch noch Jahr(zehnten) der Diskussion um Industrie 4.0 viele Betriebe noch „klassische“ Datenverwaltung vornehmen. Auch hier liegt eine Lösung in branchenübergreifenden Standardisierungen und Schnittstellen.

Take Home Messages
  • Die Entwicklung zu einer ressourceneffizienten Kreislaufwirtschaft bietet richtig verstanden große wirtschaftliche Entwicklungsmöglichkeiten
  • Der Übergang zur Kreislaufwirtschaft erfordert geänderte Prozesse und Beziehungen entlang der Supply Chain: Logistikprozesse, Unternehmenskooperationen und Netzwerke.
  • Gehen Produktdesign und Kreislaufwirtschaftsprinzip mit einem innovativen Geschäftsmodell einher, kann die Marge deutlich gesteigert werden
  • Vorteil einer Kreislaufwirtschafts-Zertifizierung ist die deutlich erhöhte Transparenz in der eigenen Lieferkette
  • Transparenz ist allerdings nicht ohne digitale Unterstützung möglich
  • regionaler Bezug reduziert Lieferkettenrisiken durch Lieferantenstreuung, spart Transporte und intensiviert Kunden-Lieferantenbindungen

(24.11.2022)

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