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Land- und Forstwirtschaft

Zukunft der bäuerlichen Landwirtschaft

Mitte November 2024 diskutierten Vertreter:innen aus Praxis und Wissenschaft das Thema „Ressourceneffiziente Kreislaufwirtschaft – die Zukunft der bäuerlichen Landwirtschaft“ bei einer Kooperationsveranstaltung von Ressourcen Forum Austria, LFI Österreich, Landwirtschaftskammer Salzburg und der Klima- und Energiemodellregionen Fuschlsee-Wolfgangsee, Salzburger Seenland, Nachhaltiges Saalachtal, Pinzgau Nationalparkregion, Lungau und Mattigtal. Die Veranstaltung thematisierte die Herausforderungen der bäuerlichen Landwirtschaft, und fokussierte neue Geschäftsmodelle, Technologien und nachhaltige Lösungen für eine zukunftsfähige Landwirtschaft.

VISION 2028+

Leopold Kirner, Professor an der Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik, präsentierte in seinem Vortrag die „VISION 2028+“ – das Zukunftsbild für Österreichs Landwirtschaft und den ländlichen Raum. Der vom Landwirtschaftsministerium initiierte Strategieprozess stellt einen langfristigen Plan zur Weiterentwicklung der österreichischen Landwirtschaft dar und gliedert sich in drei Phasen. In der ersten Phase wurde eine umfassende Analyse der aktuellen Situation der Landwirtschaft durchgeführt. Eine Umfrage unter Landwirt:innen zeigte, dass die Mehrheit die gegenwärtige Lage positiver einschätzt als die zukünftigen Perspektiven. Die Herausforderungen wurden in drei Hauptpunkte zusammengefasst: Fremdbestimmung durch steigende Auflagen und Unsicherheit, unzufriedene Einkommenssituation, sowie die Umweltkrise mit Klimawandel und Biodiversitätsverlust. 15% der Betriebe gibt an, in den nächsten 10 Jahren den Betrieb aufgegeben zu wollen. Als Reaktion darauf wünschen sich Landwirte verstärkte Maßnahmen in Bereichen wie Ausbildung und laufende Weiterbildung, überbetriebliche Zusammenarbeit und Vernetzung und Diversifizierung.

Lebensraum Bauernhof

In der zweiten Phase wurden sieben Handlungsfelder in Fokusgruppen erarbeitet, darunter die Förderung des Unternehmertums, die Weiterentwicklung der agrarischen Qualitätsproduktion und der Einsatz von Digitalisierung. Ein weiteres Augenmerk liegt auf dem Klimaschutz und der Anpassung an den Klimawandel sowie ressourcenschonender Ansätze. In der dritten Phase werden die Ergebnisse der Vision zusammengeführt, mit einem besonderen Fokus auf die Rolle der Aus- und Weiterbildung, die Förderung von Frauen und Jugend in der Landwirtschaft sowie die Schaffung langfristiger Perspektiven. Kirner betont, dass die Landwirtschaft als „Lebensraum Bauernhof“ eine zentrale Rolle im ländlichen Raum spielt, der durch Innovation und gesellschaftliche Wertschätzung gestärkt werden muss.

Im Anschluss an den Impuls von Leopold Kirner, zeigten mehrere konkreten Beispiele, wie diese Vision bereits in der Praxis umgesetzt wird und welche konkreten Schritte Betriebe unternehmen, um die Herausforderungen der Zukunft zu meistern.

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Symbolbild Zukunft der Landwirtschaft; Bildnachweis: mit KI erstellt

Neue Technologien im Grünland

Manfred Tanner, Geschäftsführer des Maschinenrings Flachgau präsentierte im Anschluss praxisorientierte Lösungen, die bereits heute zur Effizienzsteigerung in der Landwirtschaft beitragen. Tanner nannte drei zentrale Schlagworte, die für die Zukunft entscheidend sind: Kosteneffizienz, Arbeitseffizienz und Ressourceneffizienz. Ein Beispiel dafür sind Maschinengemeinschaften, die es Landwirt:innen ermöglichen, teure Maschinen gemeinsam zu nutzen, wodurch Kosten gesenkt und der Ressourceneinsatz optimiert werden kann.

Ein weiteres Beispiel für Effizienz ist die bodennahe Gülleausbringung, die den Nährstoffverlust verringert und die Bodenschonung fördert. Tanner erläuterte auch die Vorteile moderner Technologien wie der Reifendruckregelung, die den Boden weniger verdichtet und den Kraftstoffverbrauch senkt. In der Erntepraxis zielt die Effizienz darauf ab, Nährstoffverluste zu minimieren und gleichzeitig den Kraftstoffverbrauch zu reduzieren. Besonders im Bereich der Silofolienproduktion wurden Fortschritte gemacht: Durch den Einsatz neuer Maschinen kann die Ballendichte erhöht und damit der Verbrauch an Folie deutlich reduziert werden. Zudem wird heute Wickelfolie auch wiederverwendet, ohne die Qualität der Silage zu beeinträchtigen. Diese Ansätze tragen nicht nur zur Reduktion von Materialverbrauch und Abfall bei, sondern auch zur Verbesserung der Ressourcennutzung.

Innovative Direktvermarktungssysteme

Johannes Fischerleitner, Co-Founder der Dorfladenbox, präsentierte ein innovatives Direktvermarktungssystem, dass Landwirt:innen neue Wege zur Selbstvermarktung eröffnet. Dieses Konzept zeigt, wie moderne Technologien und Geschäftsmodelle Landwirt:innen helfen können, sich an die sich wandelnden Anforderungen der Landwirtschaft anzupassen – ein Thema, das auch in Leopold Kirners Vision 2028+ eine Rolle spielt. Die Dorfladenbox ist eine flexible Verkaufsplattform, bei der Landwirt:innen ihre Produkte in speziell ausgestatteten Containerboxen anbieten können. Die bargeldlose Bezahlung über eine App und die Möglichkeit, den Lagerbestand in Echtzeit zu überwachen, erleichtern den Verkaufsprozess und fördern eine effiziente und sichere Abwicklung. Besonders hervorzuheben ist das Konzept der Regionalität, das ausschließlich Landwirt:innen aus einem Umkreis von 50 km erlaubt, ihre Produkte anzubieten – ein Schritt, der nicht nur die lokale Wirtschaft stärkt, sondern auch den direkten Austausch zwischen Landwirt:innen und Verbraucher:innen fördert. Für Landwirt:innen bedeutet dieses Modell mehr Flexibilität und Arbeitsentlastung. Sie können ihre Produkte nach eigenen Vorstellungen und zu flexiblen Zeiten liefern, ohne auf feste Lieferzeiten angewiesen zu sein. Dieses innovative Geschäftsmodell zeigt, wie durch technologische Lösungen und lokale Vernetzung ein zukunftsfähiges System für die Landwirtschaft geschaffen werden kann.

Von der traditionellen Schweinehaltung zur Aquaponik

Simon Kaiblinger, Geschäftsführer des Aquaponik-Betriebs „Wassergarten“, berichtete über den erfolgreichen Umstieg von einer herkömmlichen Landwirtschaft mit Schweinehaltung auf das zukunftsweisende Aquaponik-System. Seit 2018 kombinieren Kaiblinger und seine Frau die Aquakultur (Fischzucht) mit der Hydroponik (Pflanzenzucht ohne Erde) in einem innovativen, geschlossenen Kreislaufsystem. Dabei werden Fische gezüchtet, deren Abfallprodukte den Pflanzen als Dünger dienen, während das Wasser in einem kontinuierlichen Kreislauf zwischen Fischbecken und Gemüsebeeten zirkuliert. Das Aquaponik-System bietet zahlreiche Vorteile: einen geringen Wasserverbrauch, den Verzicht auf Pestizide oder Antibiotika und eine effiziente Produktion von Fisch und Gemüse. Trotz hoher Anfangsinvestitionen und der fehlenden Möglichkeit einer Bio-Zertifizierung zeigt der Betrieb, wie innovative Ansätze erfolgreich umgesetzt werden können. Die Produkte werden über Direktvermarktung und die Belieferung von Gastronomiebetrieben vertrieben, was die Reichweite des Unternehmens stetig erweitert. Vernetzung und Weiterbildung sind essenziell, um die Entwicklung und den Erfolg solcher innovativen Geschäftsmodelle langfristig zu sichern.

Kompostierbare Einstreu: Waldboden als Ressource für nachhaltige Landwirtschaft

Christian Ehrensberger präsentierte ein innovatives Konzept, das traditionelles Wissen mit moderner Technik verbindet: die Herstellung kompostierbarer Einstreu aus eigenem Waldboden. Der Betrieb, der aus der Rohstoffaufbereitung hervorging, hat sich auf die Veredelung von Waldhackgut zu einem hochwertigen biologischen Einstreumaterial spezialisiert. Das Ausgangsmaterial – Waldhackgut – wird durch präzise kontrollierte Prozesse zu einer Einstreu verarbeitet, die nicht nur zur Verbesserung des Bodens dient, sondern auch zur Förderung des Humusaufbaus beiträgt. Dieser Ansatz hebt sich durch kontinuierliche Qualitätskontrollen und den Fokus auf nachhaltige Ressourcennutzung hervor.

Ehrensberger betonte, dass mit dem Projekt „altes Wissen reindustrialisiert“ wird: Traditionelle Praktiken wie die Festmistdüngung und die Pflege des Bodens werden durch moderne Verfahren effizienter gestaltet. Neben der Bodenfruchtbarkeit liegt ein wesentlicher Vorteil der Methode in ihrer Klimafreundlichkeit, da humusreiche Böden erhebliche Mengen CO₂ speichern können. Damit verbindet der Ansatz ökologische Nachhaltigkeit mit wirtschaftlichem Nutzen – ein Beispiel dafür, wie traditionelle Konzepte in die Landwirtschaft der Zukunft integriert werden können.

Podiumsdiskussion und Empfehlungen an Junglandwirt:innen

Aus der Vision 2028+ wurde deutlich erkennbar, dass Landwirt:innen ihre Zukunft häufig pessimistischer als die Gegenwart einschätzen. Gründe sind fehlende tragfähige Geschäftsmodelle und Unsicherheiten durch steigende Auflagen. Wichtige Strategien für die Zukunftssicherung umfassen Aus- und Weiterbildung, überbetriebliche Zusammenarbeit, Vernetzung und Qualitätsprogramme. Wachstum wird interessanterweise nicht als zentrale Strategie und Option betrachtet. In der Diskussion wurde kritisch hinterfragt, ob Unterstützungs- und Weiterbildungsprogramme ausreichend auf diese Strategien abgestimmt sind. Die Stärkung des Unternehmertums durch Bildung, Beratung, Kooperationen und bessere Rahmenbedingungen, gerade auch mit einem Fokus auf Ressourcenschonung und Kreislaufwirtschaft gilt als essenziell. Diversifizierung wurde als zunehmend zentral und nicht mehr als Nische betrachtet. Leopold Kirner betonte, dass es wichtig ist, frühzeitig eine klare Vorstellung davon zu entwickeln, wie man in den kommenden Jahren wirtschaften und leben möchte. Manfred Tanner hob hervor, dass Innovation und ein Fokus auf Kostenbewusstsein entscheidend sind. Christian Ehrensberger ergänzte, dass der Boden das größte Kapital der Landwirt:innen ist und sorgfältig bewirtschaftet werden sollte. Der Austausch mit anderen Betrieben und das Lernen von erfolgreichen Beispielen sind essenzielle Schritte, um eigene Wege zu finden.

Take-Home-Messages
  • Neue Technologien und moderne Verfahren können Kosten reduzieren, Ressourcen schonen und die Umweltbelastung verringern.
  • Überbetriebliche Zusammenarbeit und geteilte Nutzung von Ressourcen steigern die Effizienz und reduzieren finanzielle Belastungen für einzelne Betriebe.
  • Weiterbildung, Vernetzung und der Austausch bewährter Praktiken sind essenziell, um neue Ansätze zu entwickeln und bestehende Herausforderungen zu meistern.
  • Der Fokus liegt zunehmend auf Qualität, nachhaltiger Produktion und der Erhaltung natürlicher Ressourcen, anstatt auf reinem Wachstum.
  • Die Diversifizierung des Betriebsportfolios hilft, Risiken zu minimieren, neue Einkommensquellen zu erschließen und die Resilienz gegenüber Markt- und Klimaveränderungen zu stärken.

Wir danken für die Unterstützung der Stiegbrauerei zu Salzburg (Hauptsponsor dieser Veranstaltung) und der Salzburg AG, zwei langjährigen Unterstützern des Ressourcen Forum Austria.

(03.12.2024)

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