Bauen & Wohnen der Zukunft
Nachbericht zur Paneldiskussion mit Andrea Jany, Wohnbauforscherin, RCE – Zentrum für nachhaltige Gesellschaftstransformation, Universität Graz, Nora Mitterböck, Ressortkoordinatorin in fachbereichsübergreifenden Angelegenheiten des Bodenschutzes, Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie & Thomas Maierhofer, Prokurist und Bereichsleiter Baumanagement, Salzburg Wohnbau
Die Bauwirtschaft ist aktuell global einer der größten Ressourcenverbraucher und Abfall-Erzeuger unserer Gesellschaft. Die damit verbundene Flächeninanspruchnahme sowie -versiegelung stellt eine zentrale Herausforderung dar. In Zeiten von Klima- und Ressourcenkrise und einer zunehmend urbanisierten Gesellschaft wird es deshalb immer wichtiger, ressourcenschonende und innovative Lösungen zu finden. In der Kreislaufwirtschaft gibt es vielfältige Lösungsmöglichkeiten um Bauen und Wohnen ressourcenschonend zu gestalten. Dies reicht von hochwertigem Recycling von Abbruchmaterialien, der Auswahl des Baumaterials, hinsichtlich Sekundärmaterial- Anteil, der Langlebigkeit, der Auswahl regionaler Baustoffe mit kurzen Transportwegen, Reparierbarkeit und Wiederverwendbarkeit (Re-Use) unter Betrachtung des gesamten Lebenszyklus im Sinne eines Urban Mining bis hin zur Verwendung modularer Normteile. Neben diesen technologischen Fragen rücken auch zunehmend gesellschaftliche Fragen, wie alternative Wohnkonzepte in den Fokus. In dieser Paneldiskussion blickten die Diskutant:innen gemeinsam mit dem Publikum ins Jahr 2050 und versuchten eine positive und nachhaltige Zukunftsvorstellung für Bauen und Wohnen der Zukunft zu entwerfen.
Impuls: Bauen und Wohnen der Zukunft …
Andrea Jany thematisierte in ihrem Impulsbeitrag zu Beginn eindrücklich die Größe der Herausforderung Klimakrise und unterstrich die Notwendigkeit, dringend Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels zu ergreifen. Ein zentraler Faktor für die globale Klimakrise liegt im enormen Verbrauch von Ressourcen durch die Bauwirtschaft.. Diese Ressourcen müssen abgebaut, produziert, bearbeitet und transportiert werde. Auf allen diese Prozessschritten entstehen Emissionen. Beton ist dabei das meistverwendete Material, insbesondere im Bereich der Infrastruktur. 42% allen Baumaterials ist Beton, 12% entfallen auf Ziegel, 6% auf Stahl, 2% auf Flachglas und lediglich je 2% auf Holz und Kunststoffe. Die restlichen 34% entfallen auf sonstige Materialien. Um dem Problem des hohen Ressourcenverbrauchs zu begegnen, betonte Jany die Vermeidung als oberste Maxime und verwies dabei auf die bekannte Abfallhierarchie. Sie regte zum Nachdenken an: Haben wir als Gesellschaft nicht bereits genug Ressourcen verbaut? Neben dem zentralen Faktor zur Reduktion des Materialverbrauchs – der Vermeidung von Neubau – besteht ein wesentlicher Schlüssel in der Verlängerung der Nutzungsdauer von Gebäuden. Andrea Jany betonte zudem die Notwendigkeit, alle Emissionsarten im Lebenszyklus eines Gebäudes zu berücksichtigen: die betriebsbedingten Emissionen während der Nutzung (ca. 30%) und die grauen Emissionen, die für Abbau, Herstellung, Transport, Rückbau sowie Entsorgung von eingesetzten Materialien entstehen (ca. 70%). Gerade diesem hohen Anteil wegens, sei ein langer Lebenszyklus eines Gebäudes wichtig.
Die Zukunft ist Bauen und Wohnen im Bestand
Bauen und Wohnen der Zukunft bedeutet also vor allem Bauen und Wohnen im Bestand so Jany. Effizienzsteigerungen beim Bauen können zwar 20% der Emissionen über den Lebenszyklus einsparen, durch emissionsärmere Baustoffe, optimierte Bauprozesse und reduzierte Ressourcenverbräuche – kurzum cleveres Bauen – sind sogar bis zu 50% Einsparungen möglich, die entscheidende Einsparung von Ressourcen und damit Emissionen liegt jedoch in der Vermeidung von Neubauten. Andrea Jany betonte, dass durch die Optimierung und Maximierung der Nutzung bestehender Gebäude und des Gebäudebestands etwa 80% der Emissionen eingespart werden können. Komplett vermeiden lassen sich Emissionen nur, wenn das Bauen ganz vermieden wird, indem der Bedarf an sich in Frage gestellt wird oder Alternativen angedacht werden. Der Fokus sollte somit auf den Gebäudebestand gelegt werden. In Österreich leben laut Daten von 2021 rund 8.8 Millionen Menschen in 1.8 Millionen Wohngebäuden mit 1 oder 2 Wohneinheiten, wobei eine durchschnittliche Belegungszahl von 4,8 besteht. Hier sieht Jany große Potenziale, insbesondere in Einpersonenhaushalten. Als wichtigen Hebel dafür hob Jany abschließend die Aktivierung und Attraktivierung des Gebäudebestands durch Sanierungsmaßnahmen hervor. Die Weiternutzung, Umnutzung und Erweiterung der vorhandenen Infrastruktur sowie der geringere Einsatz von Baustoffen bedeuten eingesparte Treibhausgase und verhindern zusätzliche Bodenversiegelung. Die Zukunft des Bauens und Wohnens liegt somit in der intelligenten Nutzung und Erhaltung des Bestands, um einen nachhaltigen und emissionsarmen Lebenszyklus zu gewährleisten, schloss Jany.
Bodenversiegelung und Nutzung im Altbestand
Im Anschluss an den Impulsvortrag diskutierten Nora Mitterböck, Thomas Maierhofer und Andrea Jany unter Moderation von Gerald Berger die Zukunft von Bauen und Wohnen. Nora Mitterböck betonte, dass im Klimaschutzministerium auch der Bodenschutz ein zentrales Thema sei, und der Ansatz „Bauen ohne Boden“ bereits verfolgt werde. Das Ziel sei es, die Flächeninanspruchnahme in Österreich drastisch zu senken, um langfristig eine Netto-Null zu erreichen. Als mögliche Zukunft skizzierte Mitterböck zudem, dass Flächeninanspruchnahmen nur mehr mit Kompensationsleistungen möglich sein werden. Ein Schwerpunkt im BMK liegt zudem bei der Nutzung von Altbestand, im Besonderen beschäftigt man sich mit der Aktivierung von Industriebrachflächen und Leerständen. Thomas Maierhofer unterstrich die Herausforderung als Bauträger im Umgang mit Altbestand. Bei fast jedem größeren Projekt sei man heutzutage mit Bestand konfrontiert. Bei Salzburg Wohnbau sehe man dies zunehmend als Chance und forciere unter anderem das Baustoffrecycling. Bei neuen Bauvorhaben legt man zudem besonderes Augenmerk auf die Auswahl der verwendeten Materialien. Verbundsysteme und Styropor gelten als nicht zukunftsfähige Baustoffe, stattdessen sollten Materialien so verbaut werden, dass sie später in ihre Ausgangsstoffe zurückgeführt und wiederverwertet werden können. Modulares Bauen scheitert derzeit oft an der Geometrie der Grundstücke, was Vorfertigung erschwert. Die Zukunft sieht auch Maierhofer vor allem im Bestand, doch hier liegt die Herausforderung oft in der Bauqualität, Größe oder Erweiterbarkeit. Die Dokumentation von Bestandsgebäuden gestaltet sich als schwierig, da aktuell Bauteile geöffnet werden müssen, um Informationen über die eingesetzten Materialien zu erhalten. Digitale Zwillinge von Bestandsgebäuden spielen eine wichtige Rolle, um diese Informationen in Hinkunft transparent zu erhalten und nachhaltige Entscheidungen für den Altbestand zu treffen.
Eine Zukunft ohne Neubau?
Bei der Diskussion um Leerstände verwies Andrea Jany auf die im Impuls genannten niedrigen Belegungszahlen. Es sei machbar diese zu erhöhen, erfordere jedoch viel Aufwand. Leerstände müssten gescreent, evaluiert und einzeln bearbeitet werden. Ein geringer Leerstand sei zwar notwendig, zum Beispiel für Umzüge, aber der restliche Leerstand ist oft spekulativer Natur oder besteht aufgrund wirtschaftlicher Problemlagen in einer Region (Stichwort Abwanderung). Die Beurteilung von Leerständen ist komplex und politisch aufgeladen. Nora Mitterböck unterstrich in diesem Zusammenhang die Problematik von Zweitwohnsitzen und betonte, dass Gemeinden sich bewusst sein müssen, welche zusätzlichen Bedarfe an Ressourcen, Fläche Infrastrukturen und damit Emissionen damit einhergehen. Thomas Maierhofer betonte, dass wir in Österreich grundsätzliche einen sehr leistungsfähigen Gebäudebestand haben, der in vielen Bereich auch leistbar ist. Allerdings wird dieser Bestand oftmals nicht effizient ausgenutzt. Dies liegt oft daran, dass sich die Nutzung nichr an geänderte Lebenssituationen anpasst. Während sich im Laufe des Lebens Anforderungen veränderten, blieben Wohnungen unflexibel und ein Wechsel der Wohnung fände oft nicht statt. Hier gäbe es deutlichen Unterstützungsbedarf.
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(26.08.2023)