Das einsame Haus. Wohnraumpotentiale untergenutzter Einfamilienhäuser
Der Flächen- und Ressourcenverbrauch für Neubau ist nach wie vor zu hoch, andererseits ist Wohnraum knapp. Bislang noch wenig im Fokus stehen als Lösung die Wohnraumpotentiale untergenutzter Einfamilienhäuser. Viele „Familien“-Häuser werden nach Auszug der Kinder nicht mehr voll genutzt. Wie dieser „unsichtbare Wohnraum“ mit neuen Wohnformen und innovativen Konzepten gehoben werden kann, diskutierten unter anderem Daniel Fuhrhop und weitere Expert:innen bei dieser Veranstaltung von EUREGIO Salzburg - Berchtesgadener Land – Traunstein, SIR - Salzburger Institut für Raumordnung & Wohnen, RSA FG Research Studio iSPACE, Salzburger Gemeindeverband & Ressourcen Forum Austria.
Soziale Alternativen zum Neubau
Zum Thema konnte der durch das Buch „Verbietet das Bauen“ bekannte Autor und „Wohnwende“-Ökonom Daniel Fuhrhop aus Potsdam als Key-Note Speaker gewonnen werden. Fuhrhop stellte zunächst die drei Krisen dar, mit denen der Wohnungsmarkt aktuell konfrontiert ist: akuter Wohnraummangel, Klimakrise (bei der der Neubau von Wohnraum eine erhebliche CO2-Belastung verursacht) und wachsende Einsamkeit, insbesondere bei älteren Menschen. Mit sozialen Alternativen zum Neubau durch die Aktivierung von sogenanntem „unsichtbaren Wohnraum“ können Fuhrhop folgend alle drei Problemlagen gleichermaßen adressiert werden. Um diesen unsichtbaren Wohnraum zu mobilisieren, stellte Fuhrhop fünf Möglichkeiten vor: Untermiete, Umzug und Wohnungstausch, Umbau, Vermietung und gemeinschaftliches Wohnen. Wichtig sei zu verstehen, dass es sehr auf die individuelle Situation, die jeweiligen Wohnwünsche und -möglichkeiten ankommt, welche Strategie am besten anzuwenden sei. Schließlich ist Wohnen ein äußerst soziales Thema, bei dem subjektive Bedürfnisse zu berücksichtigen sind. Zu allen Strategien brachte Fuhrhop auch Beispiele aus dem In- und Ausland mit.
Von Untermiete bis zu gemeinschaftlichem Wohnen
Ein Beispiel aus Brüssel zeigte, dass die Vermittlung von Wohnpartnerschaften pro Jahr 360 Wohnpaare ermöglichte, was ein Potenzial von 30.000 Wohnungen in Deutschland darstellt. Fuhrhop wies darauf hin, dass ein Platz in einem Seniorenwohnheim in der Errichtung etwa 100.000 Euro kostet, während Untermietverträge kostengünstigere Alternativen bieten könnten. Eine andere Möglichkeit besteht darin, den Umzug zu fördern, beispielsweise durch den geförderten Kauf alter Häuser in Gemeinden. Ein konkretes Beispiel hierfür ist das Projekt in der Gemeinde Hiddenhausen, bei dem jungen Bürger:innen der Erwerb von Bestandshäusern ermöglicht wird, um dem Neubau auf der „grünen Wiese“ entgegenzuwirken. Auch der Umbau von bestehendem Wohnraum, wie die Abtrennung von Einliegerwohnungen, wurde von Fuhrhop als Möglichkeit zur Mobilisierung des unsichtbaren Wohnraums genannt. Hier wurden bspw. Vorarbeiten und Modelle im Projekt reHabitat erarbeitet. Des Weiteren betonte Fuhrhop die Bedeutung der Vermietung von leerstehendem Wohnraum mit Unterstützung durch die öffentliche Hand bspw. in Form von Mietgarantien oder Zuschüssen zur Renovierung. In Karlsruhe werden dadurch auf diese Weise jährlich 60 leerstehende Wohnungen wieder mobilisiert. Fuhrhop schätzt das deutschlandweite Potenzial auf 15.000 Wohnungen. Ein weiterer Ansatz besteht darin, das gemeinschaftliches Wohnen zu fördern, um Flächen zu sparen und flexibler zu organisieren. Daniel Fuhrhops Daten zufolge ist unsichtbarer Wohnraum auch in Österreich ein quantiativ bedeutendes Thema. Bei über 750.000 Ein-Personen- Haushalte mit mindestens drei Zimmern, sowie über 558.000 Zwei-Personen-Haushalte mit mindestens vier Zimmern bestehe theoretisch unsichtbarer Wohnraum für zusätzliche zwei Millionen Menschen im Bestand.
Kommunaler Kümmerer mobilisiert
Fuhrhop betonte abschließend die Wichtigkeit einer Agentur oder eines „Kümmerers“ in den Gemeinden, der sich um das Thema des unsichtbaren Wohnraums kümmert und die verschiedenen Möglichkeiten der Mobilisierung koordiniert. Insgesamt schätzte Fuhrhop das Potenzial des unsichtbaren Wohnraums in Deutschland auf etwa 100.000 Wohnungen, was etwa einem Drittel des Neubauvolumens entspricht. Ähnliche Anteile könnten auch in Österreich erwartet werden.
Regionale Projektbeispiele
Im Anschluss präsentierten Sabine Gadocha und Thomas Prinz (beide RSA FG iSPACE), sowie Inge Strassl und Walter Riedler (beide SIR – Salzburger Institut für Raumordnung und Wohnen) regionale Projektbeispiele zur Aktivierung untergenutzter Einfamilienhäuser und nachhaltiger Siedlungsentwicklung. Gadocha und Prinz stellten das bestehende BONUS-Beratungsangebot und dessen Fortsetzung BONANZA vor, Strassl und Riedler ergänzten dies um einen Überlick zu Erfahrungen und Handlungsmöglichkeiten Salzburger Gemeinden in punkto Leerstandsvermeidung und nachhaltiger Siedlungsentwicklung. Einen besonders praxisnahen Beitrag ergänzte zudem Franz Mooser und präsentierte seinen Umbau eines ehemaligen landwirtschaftlichen Betriebs zu einem Wohnhaus mit mehreren Wohnungen.
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(26.08.2023)