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Innovationschance Bioökonomie? Mehr von den Heffterhof Umweltgesprächen 2018

Welche Potenziale nachwachsende Rohstoffe für Wirtschaft und Umwelt bieten und welche Produkte daraus hergestellt werden, darüber gaben die Heffterhofer Umweltgespräche vergangenen Donnerstag Aufschluss.

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von links: Robert Bischof, Lenzing AG, Christian Helmenstein, RFA, Maria Hingsamer, Joanneum Research, Kammeramtsdirekor Nikolaus Lienbacher, Hubert Dürstein, Boku, Gottfried Lamers, BMNT und Martin Weigl, Bio Science Austria; Bildnachweis: Salzburger Bauer/Fürstaller

In unserem Alltag sind wir von Erdöl ständig umgeben. Neben der Verwendung als Energiequelle werden zahlreiche Produkte aus Rohöl und seinen Derivaten hergestellt „Wir werden fossile Rohstoffe in unseren Produkten nie ersetzen, aber wir können versuchen, den Anteil durch den Einsatz von ökologischen Alternativen zu senken“, so führte Dipl.-Ing. Gottfried Lamers vom Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus in das Thema Bioökonomie als Innovationschance ein, unter dem die Heffterhofer Umweltgespräche standen. An Verwendungsmöglichkeiten für nachwachsende Rohstoffe in Industrie und Wirtschaft wird derzeit unter Hochdruck auch in heimischen Laboren geforscht: Im Bereich der Elektromobilität und der Zelluloseverwertung liegt die Erfinderdichte bei uns um 100 % über dem EU-Durchschnitt. Dr. Christian Helmenstein von der Industriellenvereinigung und Vorstandsmitglied des Ressourcen Forum Austria macht dabei allerdings auf ein Problem aufmerksam:„Obwohl es in Österreich so viele Patentanmeldungen gibt, resultieren nur wenige Ergebnisse daraus. Dies liegt daran, dass die grüne Frühphasenfinanzierung viel zu gering ist, es mangelt uns an Risikokapital.“

Holzfaser – unschlagbar Vielfältig

Ein Unternehmen, das sich der Nutzung nachwachsender Rohstoffe verschrieben hat, ist die global agierende Lenzing AG mit Sitz in Oberösterreich. Das Unternehmen ist vorrangig in der Holzfaserverwertung tätig. Hauptsächlich wird Zellulose aus Buche, Fichte und Eukalyptus in der Lenzinggroup, die Niederlassungen in den USA, Großbritannien, China und Indonesien besitzt, verarbeitet. Mit der Verwendung von zertifizierten Hölzern (FSC und PEFC) habe sich das Unternehmen nachhaltige, umweltschonende und legale Ernte auf die Fahnen geheftet, versichert Projektmanager Dr. Robert Bischof. Mittlerweile stellt das Unternehmen fünf verschiedene Fasern aus Zellstoff her und bedient damit den Textil- und Vliesmarkt. So finden sich Fasern der Lenzing AG in Gemüsenetzen, Mode, hitzeresistenter Feuerwehrausrüstung und auch in Materialien der Medizintechnik wieder. Bei der Herstellung von Faserzellstoff fällt in der Bioraffinerie der Lenzing AG Kochlauge an. Aus dieser werden u. a. Essigsäure (z. B. für Gurkengläser), Xylose (Birkenzucker), Furfural (Biokunststoff) oder Magnesium-Lignosulfonat (Basis für Kleber) extrahiert. Übrig bleibt Schwarzlauge, mit der im hauseigenen Kraftwerk Strom und Wärme produziert werden. In Summe bedeutet der Prozess eine fast 100%ige Nutzung des Rohstoffes Holz.

Vom Löwenzahn zum Autoreifen

Im EU-Projekt „Drive4EU“ mit österreichischer Beteiligung wird gerade daran gearbeitet, aus Löwenzahn Kautschuk zu gewinnen. Ziel sei es, eine Produktionskette für Naturkautschuk in Europa aufzubauen, denn Naturkautschuk stamme aktuell zu 90 % aus Asien, berichtete Mag. Maria Hingsamer von der Joanneum Research Forschungsgesellschaft mbH. Für die Kautschukproduktion kommt nur eine spezielle Gattung des Krautes infrage: der Russische Löwenzahn. Aus dieser Pflanze können 5 bis 10 % Naturkautschuk gewonnen werden. Daneben fallen 40 % Inulin an. Diese beiden Bestandteile machen den Löwenzahn laut Hingsamer für Forschung und Wirtschaft interessant. Denn mit seinen Eigenschaften ist der Kautschuk einerseits vor allem bei Reifenherstellern beliebt. Auf der anderen Seite hat Inulin ein breites Einsatzgebiet: vom Ballaststoff für Lebensmittel über die Nutzung für Biogas und Bioethanol bis hin zum Baustoff für „grüne Chemikalien“. Als solche könne es das erdölbasierte PET, das für Getränkeflaschen verwendet wird, ersetzen. Angebaut wird der Löwenzahn vor allem in Deutschland und den Niederlanden. Auch in Österreich würden sich landwirtschaftliche Nutzflächen für den Anbau eignen. Die Produktion steckt allerdings noch in den Kinderschuhen: Pro Hektar werden derzeit rund 150 kg Kautschuk geerntet, wobei das Potenzial für höhere Erträge mittels Züchtung durchaus vorhanden sei. Weiteres Projektziel ist u. a. die Entwicklung eines Bioraffinerie-Prozesses, der die gesamte Pflanze optimal nutzt.

Bioökonomie hat Zukunft

In der anschließenden Diskussion attestierte Univ.-Prof. Hubert Dürrstein von der Boku und Vorstandsmitglied der ÖVAF der Bioökonomie das Potenzial für ein zukunftsfähiges Wirtschaftssystem und sieht sie nicht nur als Erdölersatzstrategie. Viele Produkte aus nachwachsenden Rohstoffen sind schon im Einsatz. Die Herausforderung der Produktion und Verwendung liegt allerdings in der Vernetzung der Akteure (Wirtschaft, Forschung, Politik, Verbraucher) und in der Etablierung eines Marktes, der hinter den Produkten steht, und einer Industrie, die den Nutzen der Bioökonomie erkennt, sind sich die Diskussionsteilnehmer einig. Innovationen müssen zudem finanziert werden, wobei dies hauptsächlich aus Eigenkapital stammen müsse, denn durch eine ständige Subvention verliert jedes Produkt seinen Wert. „Bei all dem bleibt die Land- und Forstwirtschaft der Schlüsselfaktor, wobei mit Grund und Boden noch nachhaltiger umgegangen er revitalisiert und rekultiviert werden muss. Und hier gilt es noch, den Spagat zwischen Naturschutz und nachhaltiger Nutzung zu schaffen“, schloss Nikolaus Lienbacher, Direktor der Landwirtschaftskammer Salzburg und Vorstandsmitglied des Ressourcen Forum Austria, der durch die Veranstaltung führte, ab.

Wir danken unseren Unterstützern Raiffeisen Nachhaltigkeits-Initiative, Stieglbrauerei und Uniqa für Ihre Unterstützung.

(Fürstaller, RFA)

(09.04.2018)

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