Kommunaler Klärschlamm für die Kreislaufwirtschaft?
Klärschlammverwendung, Klärschlammtrocknung und Phosphorrückgewinnung Phosphor ist ein wichtiger Pflanzennährstoff, das globale Phosphatvorkommen allerdings begrenzt. Klärschlämme aus kommunalen Kläranlagen weisen hohe Phosphoranteile auf, die bisher aber nur unzureichend zurückgewonnen werden und häufig unwiderruflich verloren gehen. Experten aus Bayern und Österreich stellten…
Klärschlammverwendung, Klärschlammtrocknung und Phosphorrückgewinnung
Phosphor ist ein wichtiger Pflanzennährstoff, das globale Phosphatvorkommen allerdings begrenzt. Klärschlämme aus kommunalen Kläranlagen weisen hohe Phosphoranteile auf, die bisher aber nur unzureichend zurückgewonnen werden und häufig unwiderruflich verloren gehen. Experten aus Bayern und Österreich stellten deshalb bei einem Webinar am 5. Juli 2021 im Rahmen des Projekts RessourcenRegionEUREGIO+ von EUREGIO Salzburg – Berchtesgadener Land – Traunstein und Ressourcen Forum Austria (gefördert durch das EU-Programm Interreg VA Österreich/Bayern 2014-2020) aktuelle Ansätze und Möglichkeiten der Klärschlammverwertung vor, zeigten den aktuellen Status Quo auf und diskutieren mit den über 60 TeilnehmerInnen zukünftige Entwicklungsmöglichkeiten für die kommunale Klärschlammverwendung.
Das große Ganze – Kreislaufwirtschaft auf Gemeindeebene
Sarah Reiter, Regionalmanagerin der EUREGIO Salzburg-Berchtesgadener Land-Traunstein stellte zuerst die Verbindung des Themas zum großen Ganzen her: Der globale Ressourcenverbrauch ist stark steigend, die Kreislaufwirtschaft als Lösungsansatz steckt noch in den Anfängen und die Übernutzung führt zu Umweltproblemen. Eine Ressourcenwende ist also nötig. Doch wie kann sie gelingen? Hier können auch die Kommunen eine große spielen Rolle. Sie sind zentrale Knotenpunkte des Ressourcen- und Energieverbrauchs und haben so viele Einfluss- und Steuerungsmöglichkeiten. Ihr Vorteil besteht zudem in bestehenden Organisationsstrukturen und der geringen Distanz zu den Bürgern. Es gibt zahlreiche Handlungsfelder, in denen Kommunen und Regionen aktiv werden können: Abfallwirtschaft, Abwasserwirtschaft, öffentliche Beschaffung, Bebaute Umwelt, Bodenpolitik und einige mehr. Den Gemeinden und Regionen bringt frühzeitiges Handeln im besten Fall ein positives Image aufgrund der Vorreiterrolle, mehr regionale Wertschöpfung und Lebensqualität.
Kommunaler Klärschlamm – Herausforderungen für die Nutzung im Sinne der Kreislaufwirtschaft
Horst Müller führte als zweiter Referent detailliert ins Thema Klärschlamm ein. Im ersten Teil seines Vortrages widmet er sich dessen Inhaltsstoffen. Die Inhalte der Trockenmasse bestehen knapp zur Hälfte aus organischem Material und zu knapp einem Viertel aus Nährstoffen. Im Rest gibt es nur etwa 0,09 % potenziell gefährliche (toxische) Elemente. Die organischen Substanzen sind weitgehend stabil und durch aerobe und anaerobe Behandlung leicht abbaubar. Neben dem vorwiegend organisch gebundenen Stickstoff ist die bedeutendste Ressource im Klärschlamm der Phosphor. Derzeit landen noch etwa 50 % des Phosphors in der Verbrennung und geht somit verloren. Anorganische Schadstoffe sind Schwermetalle, deren Anteil unter dem Grenzwert für die Kompostgüteklasse A+ liegt. Heute nachweisbare organische Schadstoffe stammen aus dem täglichen Gebrauch (Kosmetika, Weichmacher …). Im zweiten Teil beleuchtete und verglich Müller die aktuellen Verwertungsoptionen. Die stoffliche Verwertung, über die Landwirtschaft oder Komposterden bzw. -substrate weist den Vorteil eines geringen Energieeinsatzes, die CO2-Bindung und die Pflanzenverfügbarkeit von Spurenelementen und Nährstoffen (N, P, Kali, Kalk) auf. Dem stehen vor allem der Eintrag unerwünschter Stoffe in die Umwelt sowie Verwertungsverbote gegenüber. Die thermische Verwertung kann als Mitverbrennung oder Monoverbrennung bzw. Pyrolyse erfolgen. Unerwünschte organische Stoffe werden dabei zerstört. Bei der verbreiteten Mitverbrennung gehen allerdings die meisten Nährstoffe verloren. Bei der in geringem Umfang bereits durchgeführten Monoverbrennung kann Phosphor rückgewonnen werden, Stickstoff und u.a. Kohlenstoff geht aber nach wie vor verloren. Nachteilig wirkt sich zudem der hohe Energieeinsatz für die Trocknung aus. Abschließend betont Müller, dass es wesentlich ist die Problemlösung der „Schadstoffsenke“ Klärschlamm nicht nur end-of-pipe zu suchen. Denn der Klärschlamm stellt immer ein Spiegelbild der Umweltsituation einer Region dar. Die einzige Möglichkeit die Umweltsituation langfristig zu verbessern, ist die Freisetzung von unerwünschten Substanzen in die Umwelt zu reduzieren.
Braunauer Klärschlamm quo vadis? Vom Abfall zur Ressource!
Bereits vor einigen Jahren erkannte der Reinhalteverband Braunau und Umgebung die Bedeutung des Themas „Wertstoffgewinnung von Phosphor aus Klärschlamm“ und ließ eine Machbarkeitsstudie zur regionalen Umsetzung erstellen. Obmann Günter Weibold und Geschäftsführer Hermann Lettner-Hauser berichteten, dass das zentrale Ziel der Studie war, herauszufinden, auf welchem Wege und mit welcher Technologie die Kläranlage bzw. die Region eigenständig und in Reaktion auf zu erwartende rechtliche Änderungen den Klärschlamm verwerten und den landwirtschaftlich relevanten Phosphor rückgewinnen könne. Es bestätigte sich, dass die landwirtschaftliche Verwertung aktuell die kostengünstigste Variante, aber jene mit der unsichersten Zukunft ist. Kompostierung sowie alle Verbrennungsvarianten liegen deutlich darüber. Allen Verwertungswegen gemein ist, dass eine vorgeschaltete dezentrale Trocknung unabdingbar ist, da diese das Transportvolumen maßgeblich reduziert und die Lagerungsproblematik verringert. Welcher Weg dann weiter mit dem Trocken-Granulat gegangen wird, hängt in erster Linie von den gesetzlichen Bedingungen in Österreich bzw. in Europa ab. In der Untersuchung betrachtet wurden die Klärschlamm-Vergasung sowie Pyrolyse und Nachverbrennung. Größere Mengen an Klärschlamm können bei einer Vergasungsanlage, ein Vielfaches davon bei der Pyrolyse verwertet werden. Auf jeden Fall ist eine regionale Lösung anzustreben, da diese wirtschaftlicher und umweltverträglicher ist. Aus Sicht eines RHV ist außerdem zentral auch eine zukünftige Klärschlammbewirtschaftung zu annähernd gleichen Kosten und gebührensicher für die nächsten Jahre sicherzustellen.
Energieautarke Trocknung und Karbonisierung als Komplettlösung für die Kommune.
Eine technologische Möglichkeit der weiteren Behandlung stellte im Anschluss Andreas Hackl vor. Gemeinsam mit dem deutschen Partner jumbo smart dry entwickelte die Next Generation Elements eine Komplettlösung zur energieautarken Trocknung und Karbonisierung für kleine Kläranlagen. Diese neu entwickelten PyroDry-Anlagen werden als Systemkomponente direkt an der Kläranlage eingebaut. In einem Schleuderwellentrockner wird der Klärschlamm mit heißem Rauchgas getrocknet. Mit moderner Technologie gelingt es, das heiße Rauchgas, immer wieder zurückzuführen, wodurch der saure Schwefeldioxidgehalt verringert wird. Damit wird auch Heizenergie gespart. Zusätzlich ist die Anlage mit einem Staubfang ausgerüstet, wodurch nur mehr Trocknerluft emittiert wird. Die Trockensubstanz wird anschließend pelletiert. Die Pellets im nächsten Schritt dann der Pyrolyse in Containerlösung zugeführt. Am Schluss verbleibt nur mehr etwas mehr als ein Zehntel Masse Karbonisat. Mit dieser Anlage gelingt eine Komplettbehandlung. Das entstehende Karbonisat hat vielfältige Anwendungspotenziale (als Aktivkohleersatz, für Biogasanlagen, als Rohstoff für Phosphorrecycling). Eine Demonstrationsanlage wurde in Bissingen errichtet. Sie steht aktuell im automatisierten Dauerbetrieb. Das Ende der Testphase ist Ende 2021 geplant.
Status quo der Klärschlammverwertung in Salzburg
Im Bundesland Salzburg werden 98 % der Abwässer in kommunalen Anlagen geklärt. Größte Herausforderung sind tiefe Temperaturen im Winter bei gleichzeitig hoher zusätzlicher Belastung durch den Winterfremdenverkehr, führte Andreas Unterweger, Leiter des Gewässerschutzes des Landes Salzburg aus. Die größte Beanspruchung besteht deshalb in den Wintermonaten – sowohl bei der Zulauffracht als auch bei der Ablauffracht. Generell sind die Kläranlagen in den letzten Jahren deutlich leistungsfähiger geworden. Der Großteil des Klärschlammes wird aktuell thermisch in Mitverbrennung verwertet, nur ein geringerer Teil wird kompostiert bzw. außerhalb des Bundeslandes landwirtschaftlich verwerteten. Im Bundesland Salzburg ist dies durch die Klärschlamm-Bodenschutzverordnung verboten. Andreas Unterweger erwartet sich aufgrund der Belastung des Klärschlamms durch Medikamentenreste, hormonell wirksamer Stoffe sowie Kunststoffpartikel in der nahen Zukunft ein bundesweites Abgehen von der landwirtschaftlichen Verwertung. Deshalb befürwortet er ein gemeinsames, frühzeitiges und überregionales Vorgehen von Betreibern, Verwaltung und Politik.
P-Rückgewinnung in Bayern? Aufkommen und Verwertung des kommunalen Klärschlammes im Lichte der Phosphorrückgewinnung.
Die Situation auf der anderen Seite der Grenze führte Lars Zeggel vom bayerischen Landesamt für Umwelt aus. Die Anforderungen an die Anlagen in den verschiedenen Landkreisen sind vielfältig. Die Konzepte der Zukunft müssen also unterschiedlich sein. Aktuell wird knapp 80% des bayerischen Klärschlamm thermisch verwertet. 10% werden im Landbau bzw. der Rekultivierung, weitere 9% landwirtschaftlich verwertet. Die thermische Verwertung wird zu 42% in Monoverbrennung und zu 58% in Mitverbrennung durchgeführt. In naher Zukunft sind in Deutschland alle Kläranlagen verpflichtet, Phosphor rückzugewinnen. In der Phosphor-Rückgewinnung sind die technologisch einfachen Verfahren aber nicht unbedingt ressourceneffizient. Sehr gute Raten ergibt die Rückgewinnung aus Klärschlammasche, was aber technisch sehr aufwändig ist und viele Prozessschritte erfordert. In Zukunft gilt es deshalb, die Erfüllung der Abfallklärschlammverordnung auch unter Berücksichtigung kleinerer Anlagen und sachgerechter Verwertung der Rezyklate zu bewerkstelligen.
Diskussion & Erfahrungsaustausch
Im Anschluss wurde diskutiert, ob die Zusammenarbeit über die Grenze hinaus sinnvoll und nötig sei. Ein verstärkter Austausch der Anlagenbetreiber findet schon statt, ein politisches Commitment muss gefunden werden. Lars Zeggel erklärt auf Nachfrage, dass die von ihm angesprochene Ressourceneffizienz einer relativen Betrachtungsweise unterliegt. Denn einerseits ist der primäre Phosphorabbau für Landschaft und Umgebung schädlich und andererseits ist Phosphor als kritischer Rohstoff eingestuft. Doch für die Zukunft müssen neue technologische Möglichkeiten teilweise erst noch erforscht und entwickelt werden. Die Herausforderung besteht vor allem für kleine Anlagen, die leistbare und gut zu handhabende Lösungen brauchen. Wichtig ist, dass für die großen Herausforderungen der Kreislaufwirtschaft wie die hier angesprochene Phosphorrückgewinnung auch dezentrale und offene Lösungen für kleine Gemeinden gefunden werden. Die Projektpartner EUREGIO Salzburg Berchtesgadener Land-Traunstein und Ressourcen Forum Austria werden sich um weitere Vernetzung zum Thema Kreislaufwirtschaft bemühen. Unter den interessierten Teilnehmern soll ein informeller Austausch von Ideen, Wissen und Projekten entstehen.
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(21.07.2021)