Konsum & Produkte der Zukunft
Nachbericht zur Paneldiskussion mit Markus Petruch, Fachhochschule Salzburg: „Der Stoff, aus dem die Zukunft ist“, Alexandra Anderluh, Carl Ritter von Ghega Institut für integrierte Mobilitätsforschung, Fachhochschule St. Pölten & Harald Wieser, Projektleiter KMU Forschung Austria
In dieser Paneldiskussion versuchten spannende Referent:innen mit dem Publikum eine positive und nachhaltige Zukunftsvorstellung für Konsum und Produktion der Zukunft zu entwerfen. Wie werden wir konsumieren und produzieren, wenn wir die Ressourcenwende geschafft haben? Aus welchen Materialien werden die Dinge um uns herum bestehen? Werden wir kaufen oder nur mehr nutzen in einer zukünftigen Kreislaufwirtschaft? Wird Qualität wichtiger werden wie Aktualität? Wie nehmen wir die gesamte Bevölkerung auf dieser Reise mit?
Der Stoff, aus dem die Zukunft ist
Den Einstieg machte Markus Petruch mit einem inspirierenden Impulsbeitrag, basierend auf seinem Buch „Der Stoff, aus dem die Zukunft ist“. Der Fokus seines Vortrags lag auf der biobasierten Materialentwicklung und der Entwicklung einer Bioökonomie.
“Bioökonomie steht für ein Wirtschaftskonzept, das fossile Ressourcen (Rohstoffe und Energieträger) durch nachwachsende Rohstoffe in möglichst allen Bereichen und Anwendungen ersetzen soll.“
Definition Bioökonomie , BMBWF
Markus Petruch machte deutlich, dass wir uns mit mehreren aktuellen Krisen konfrontiert sehen, in vielen Bereichen sind die Grenzen des Systems Erde erreicht. Wesentlich dazu bei trägt unser exzessiver Verbrauch fossiler Rohstoffe. Doch vielfach wäre dieser gar nicht notwendig, weil es biobasierte Alternativen gibt. Um diese zahlreichen Möglichkeiten greifbarer zu machen, verfasste Petruch, gemeinsam mit seinem Kollegen Dominik Walcher, ein Buch zu diesem Thema. Er betonte, dass die Bioökonomie ein globales Thema sei. Etwa 80 Ländern haben bereits Strategien verfasst, die sich dem Thema Umstieg der Wirtschaft von fossilen auf nachwachsende Rohstoffe widmen. Dies erfordert eine neue Form der Zusammenarbeit über verschiedene Branchen hinweg. Markus Petruch sprach von einem Sprung in die Vergangenheit und der Wiederentdeckung des Wissens über biogene Stoffe. Denn die Nutzung von Algen, Pflanzen, Holz, Tieren, Bakterien, biogenen Reststoffen und Pilzen – kurzum der gesamten biogenen Welt, die uns umgibt, ist keine neue Idee. Die Schwemme an Erdöl hat nur viel Wissen darüber weggespült. Die dadurch aufgekommene Wegwerfkultur und die Massenverfügbarkeit von Produkten haben zu einer schnelllebigen Kultur geführt, die immer noch in unseren Köpfen steckt. Bis zum Aufkommen dieses fossilen Zeitalters war die Wirtschaft bereits eine Bioökonomie. Es ist nun an der Zeit, das fossile Zeitalter hinter uns zu lassen und uns zu fragen, wie wir uns auf diesem Planeten sehen wollen. Dafür braucht es, so Petruch, einen Bewusstseinswandel, der den Menschen nicht mehr hierarchisch an der Spitze einer Pyramide sieht, sondern als integrierten Teil der Natur.
Beispiele für biobasierte Produkte
Markus Petruch zeigte dann ein Feuerwerk an innovativen Beispielen für bereits bestehende biobasierte Produkte.
- Windeln aus Algen
- Luftfilter aus Mikroalgen
- Dämmung aus Seegras
- Karosserien aus Flachsfasern
- Pavillons aus Flachs
- Sessel aus Nesselfasern
- Hochhäuser aus Brettsperrholz
- Verbände aus Holzfasern
- Kaugummi aus Baumharz
- Dämmstoffe aus Tannin
Kreislaufwirtschaft und Bioökonomie sind für Petruch keine getrennt zu denkenden Konzepte. Der Ersatz von fossilen Ressourcen durch nachwachsende Rohstoffe bei gleichbleibender Verschwendung reicht nicht aus. Auch der sorgsame Umgang und die Prinzipien der Kreislaufwirtschaft müssen angewandt werden. Zusammenfassend betonte Markus Petruch, dass Bioökonomie und Kreislaufwirtschaft in die Mitte der Gesellschaft rücken müssen. Eine Diversifizierung der Rohstoffbasis ist notwendig, um eine nachhaltige Zukunft zu gestalten. Es ist an der Zeit, uns wieder in die planetaren Grenzen zu integrieren.
Die Notwendigkeit einer sozial inklusiven Kreislaufwirtschaft
Bei der anschließenden Paneldiskussion diskutierten Alexandra Anderluh und Harald Wieser mit Markus Petruch. Die soziale Inklusion ist ein entscheidender Aspekt bei der Umstellung auf eine Kreislaufwirtschaft, der bislang noch stark unterbeleuchtet ist, betonte Alexandra Anderluh. Sie präsentierte Erkenntnisse aus dem Projekt „CE4ALL“, das verschiedene Einflüsse auf das Konsumverhalten untersucht hat. Das Projekt zielt darauf ab, das Konsumverhalten in Richtung Kreislaufwirtschaft zu verändern und entwickelt zielgruppenspezifische Maßnahmen zur Stärkung der Kreislaufwirtschaft. Umfragen zeigten, dass einkommensschwache Schichten bereits stark im Sinne der Kreislaufwirtschaft handeln, indem sie Produkte möglichst lange nutzen, reparieren und für andere Zwecke wiederverwenden. Anderluh betonte in diesem Zusammenhang, dass ein Nutzen statt Besitzen-Ansatz vor allem dann akzeptiert wird, wenn es um regionale Lösungen geht, denn Vertrauen spielt eine entscheidende Rolle.
Geschäftsmodellinnovationen und die gesamtgesellschaftliche Perspektive
Harald Wieser beleuchtete wiederum die Potenziale von Geschäftsmodellinnovationen. In seinem Projekt PRO_Service untersuchte er das Potenzial von Leih- und Servicemodellen für industrielle Produktionsprozesse, und deren Potenzial zur Reduktion von Energie- und Materialaufwänden. Diese erlauben eine effizientere Ressourcennutzung. Er betonte, dass solche Innovationen sowohl ökonomische als auch ökologische Vorteile mit sich bringen können. Für Unternehmen bieten diese Modelle unter anderem den Aufbau langfristigerer Kundenbeziehungen während gleichzeitig Ressourcen geschont werden. Trotz dieser positiven Aspekte scheitert bisher noch die flächendeckende Ausrollung neuer Modelle, was vor allem an den Beharrungskräften traditioneller linearer Geschäftsmodelle liegt. Kreislauforientierte Geschäftsmodelle und Dienstleistungssysteme seien zwar wichtig, aber nicht alles. Deshalb betonte Wieser außerdem die Bedeutung einer volkswirtschaftlichen Perspektive und verwies ebenso auf die Notwendigkeit, Kreislaufwirtschaft nicht nur als Geschäftsmodell, sondern auch unter dem Aspekt der sozialen Inklusion zu betrachten. Er regte an, nicht nur in der Mikroperspektive zu verharren, sondern eine gesamtgesellschaftliche Perspektive einzunehmen, die ökologische, soziale und ökonomische Aspekte gleichermaßen berücksichtigt.
Wie schaffen wir den großen Sprung?
Harald Wieser nach zu urteilen, müssten man nicht bis 2050 warten für eine zirkuläre Gesellschaft – viele Geschäftsmodelle seien schnell umsetzbar, die Technologien seien vorhanden. Die größeren Hindernisse liegen in rechtlichen und sozialen Aspekten. Die Kreislaufwirtschaft stelle für den normalen Bürger noch keine attraktive Vision dar. Recycling, Abfallwirtschaft und Second-Hand werden oft als unbezahlte Hausarbeit für den Bürger wahrgenommen. Harald Wieser brachte deshalb den Aspekt der gemeinschaftlichen Nutzung von Ressourcen in die Diskussion ein, wie es beispielsweise in Genossenschaften üblich ist. Diese Thematik werde bislang selten diskutiert, sei aber wichtig. Denn wie eine zukünftige Kreislaufwirtschaft aussehe, entscheide sich auch darin, ob diese von einem großen Netzwerk entwickelt und gesteuert werde, in der alle mitgestalten können oder konzentriert vorgegeben von wenigen globalen Konzernen. Die Kreislaufwirtschaft sollte eine Vision darstellen, in der nicht nur konsumiert und großer gesellschaftlicher Bestand akkumuliert wird, sondern alles einer sinnvollen Nutzung zugeführt wird. Aktuell ist dies noch nicht der Fall. Markus Petruch lobte die österreichische Kreislaufstrategie als dahingehenden Impuls. Schließlich setze diese nicht nur auf Recycling, sondern auch zentral auf Refuse und Rethink. Kreislaufwirtschaft ist eine gesamtgesellschaftliche Perspektive, die über ein bloßes Geschäftsmodell hinausgeht. Als Beispiel für eine solche gesellschaftlich organisierte Kreislaufwirtschaft brachte Anderluh Repair-Cafés ein. In viele Regionen werden bereits „Repair Cafés“ organisiert, aber es bedarf immer noch einzelner engagierter Personen, die diese Angebote zur Verfügung stellen. Ohne diese Pionier:innen geht noch wenig. Um in der Breite der Gesellschaft brauche es noch mehr Strukturen und verständliche Informationen für die Verbraucher:innen, damit diese wichtige Transformation inklusiv wird, schloss Anderluh.
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(26.08.2023)