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Land- und Forstwirtschaft

Kreislaufwirtschaft in der Agrar- und Forstwirtschaft

Auf Einladung des Ressourcen Forum Austria nahm Thomas Sepperer Wissenschaftler der FH Salzburg gemeinsam mit Konrad Steiner an der Agrar- und Forstwissenschaftlichen Konferenz teil und stellte dort zwei innovative Beispiele für die kaskadische Nutzung von Nebenströmen aus der Primärproduktion dar.

Thomas Sepperer auf der Agrar- und Forstwissenschaftlichen Konferenz; Bildnachweis: Sepperer
Thomas Sepperer auf der Agrar- und Forstwissenschaftlichen Konferenz; Bildnachweis: Sepperer

Agrar- und Forstwissenschaftliche Konferenz: „Kreislaufwirtschaft: Bedarf – Strategien – Vernetzung“

Die Agrar- und Forstwissenschaftliche Konferenz 2022 – veranstaltet und organisiert vom Ökosozialen Forum in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus (BMLRT) stand ganz unter dem Motto Kreislaufwirtschaft und kaskadische Nutzung sowie den dadurch entstehenden gesellschaftlichen Herausforderungen in der Zukunft. Über 100 Expertinnen und Experten aus Politik, Wissenschaft, Industrie und Verwaltung kamen zusammen und tauschten unter andem in zwei parallelen Workshops zu den Themen „Biomasse als Nahrung für den Menschen“ sowie „Stoffliche Nutzung von Biomasse als industrieller Rohstoff“ gegenseitig ihr Wissen aus und diskutierten den aktuellen sowie zukünftigen Forschungsbedarf der land- und forstwissenschaftlichen Kreislaufwirtschaft. Bei der anschließenden Podiumsdiskussion bot sich den Teilnehmern die Möglichkeit einen Einblick in die aktuell laufend und zukünftig geplanten Finanzierungen von Forschungsprojekten. Als Einblick in die aktuell laufende Forschung im Bereich der Agrar- und Forstwissenschaft, war während der gesamten Veranstaltung eine Posterausstellung, bei der über 25 Forschungsprojekte präsentiert wurden, zu besichtigen.

Die Rolle von Forschung, Wirtschaft und Politik

Den Beginn machte Eröffnungsredner und Generalsekretär des Ökosozialen Forums Österreichs und Europas, Hans Mayrhofer. In seiner Präsentation zeigte er die Notwendigkeit auf, von linearen Prozessen hin zur Kreislaufwirtschaft zu wechseln. Obwohl mit der Roadmap zur nationalen Kreislaufstrategie ein wichtiger Grundstein gelegt wird, braucht es ergänzend dazu noch interdisziplinäre Forschung und Kooperation zwischen den Betrieben. Zudem sieht Mayrhofer auch Zusammenschlüsse auf zumindest regionaler Ebene als notwendig an, um zukünftig erfolgreiche Kreislaufwirtschaft zu betreiben.

Als nächster Redner skizzierte der Vorsitzende des „Agrar- und Forstwissenschaftlichen Beirats“, Wilhelm Windisch, die Bedeutung von Kreisläufen für eine nachhaltige und ganzheitliche Nutzung von Biomasse aus der Primärproduktion. Er sieht dabei das größte Potential in einer möglichst langen, stufenweisen Nutzung von Biomasse. Die thermische Verwertung sollte dabei immer die letzte in Betracht kommende Möglichkeit sein. Um langfristig Erfolg zu haben, müsse das Kreislaufdenken in das Gesamtsystem übertragen werden, und zusätzlich Synergien genutzt werden, die bisher aufgrund des sektoralen Denkens nicht angedacht wurden.

Als entscheidende Chance zur Risikovermeidung sieht Max Hiegelsberger, Präsident des oberösterreichischen Landtags, die Kreislaufwirtschaft, im speziellen in der Landwirtschaft. Hier sieht er im speziellen die Energiewende, allen voran die Abkehr von fossilen Treibstoffen hin zu Strom aus eigener Erzeugung (Stichwort PV Anlagen) als wichtigsten Ansatzpunkt.

Das Schließen von Kreisläufen im Lebensmittel- und Gesundheitsbereich ist für Petra Winkler, Rektorin der VetMed Uni Wien ein bedeutendes Anliegen im Bezug auf eine funktionierende und sichere Kreislaufwirtschaft. Für Winkler sind Kreisläufe in der Tierhaltung nicht nur mit Chancen, sondern auch mit Risiken verbunden (Stichwort Zoonosen). Hier muss sorgsam auf eine sichere Implementierung geachtet werden, jedoch erachtet sie Kreisläufe in diesem Bereich als sinnvoll und in Zukunft auch alternativlos.

In seiner Rolle als stellvertretender Vorstand des Instituts für Bodenforschung an der Universität für Bodenkultur (BOKU) Wien, zeigte Martin Gerzabek die Bedeutung der Vernetzung zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Politik für die Agrar- und Ernährungswirtschaft auf. Er betonte, dass die Weiterentwicklung der Curricula an den Hochschulen hin zu mehr Kreislaufdenken einen entscheidenden Vorteil bringen wird. Zudem ermöglicht eine enge Abstimmung zwischen Academia und Praxis die bedarfsgerechte Ausbildung junger Menschen für die Herausforderung der Zukunft.

Den Abschluss bildete der Vorstandsdirektor der Raiffeisen Ware Austria, Christoph Metzker mit seinem Plädoyer für die Bedeutung der Verknüpfung von betrieblicher und wirtschaftlicher Praxis mit einer breiten Ausbildungsbasis an den land- und forstwirtschaftlichen Schulen (HBLFA/HBLA) sowie einer möglichen Spezialisierung (universitäre Ausbildung) in diesen Bereichen.

Workshop Stoffliche Nutzung von Biomasse als industrieller Rohstoff

Ausgangspunkt für den Workshop waren die zuvor durch die Keynote Redner angestoßenen Themen. Ziel ist die möglichst lange Erhaltung der stofflichen Natur der Biomasse unter maximaler Schonung von Ressourcen und höchster Effizienz – bis hin zur energetischen Verwertung als finalen Schritt. In vier Kleingruppen wurden die wichtigsten Fragestellungen diskutiert. Im Speziellen sollte der aktuelle und zukünftige Forschungsbedarf erhoben, und Möglichkeiten zur Zusammenarbeit der Beteiligten aufgezeigt werden. Die folgenden Fragestellungen wurden bearbeitet:

  1. Welche Maßnahmen wären zielführend, um die Kreislaufwirtschaft entlang des gesamten Produktions- und Verarbeitungsnetzwerkes in Österreich zu stärken?
  2. Welche Ansätze haben das größte Potenzial, um den Material- und Nährstoffverlust sowie den Ressourcenverbrauch entlang des Produktions- und Verarbeitungsnetzwerks zu reduzieren?
  3. Worin bestehen die größten Chancen und Potenziale eines zirkulären und nachhaltigen Stoffnutzungssystems in Österreich?

Die Teilnehmer waren sich einig, dass es zu Beginn eine umfassende Analyse des Status Quo bedarf, sowie einer holistischen Abschätzung von Chancen und Risiken sowie potentieller Konflikte. Zudem ist die Erarbeitung einer Kommunikationsgrundlage sowie die Einbindung diverser Stakeholder unerlässlich. Die Einrichtung von Modellregionen wäre ein nächster logischer und wichtiger Schritt.

Parallel dazu, soll auch ein Umdenken in der Gesellschaft (reparieren statt neu kaufen, besteht wirklich Bedarf für dieses Produkt) stattfinden. Das Bewusstsein zum Thema Bioökonomie soll in der breiten Gesellschaft verankert werden. Zudem sollten auch Hersteller dazu angehalten werden, Produkte kreislauffähig zu gestalten (Stichwort Reparierbarkeit, verklebte Akkus). Im Sinne einer kaskadischen Nutzung sollen nicht nur Primärprodukte (Obst, Holz, etc.) genutzt werden, sondern auch hierbei anfallende Reststoffe (Kerne, Rinde, Obstschalen, etc.).

Kreislaufdenken und Substitution fossiler Rohstoffe ist zwar unbestreitbar wichtig, jedoch muss genau abgewogen werden, bei welchen Produkten dies sinnvoll und zielführend ist. Zudem muss die gesamte Logistik hinter der Kreislaufwirtschaft beleuchtet und die tatsächlichen Potentiale aufgezeigt werden. Ein anpassen der aktuellen Gesetzeslage an die neuen Gegebenheiten (Neubewertung von Reststoffen aus der Lebensmittelverarbeitung, Fallbezogene Anpassung der Schadstoffgrenzwerte).

Zwei Beispiele für die kaskadische Nutzung von Nebenströmen

Im Rahmen der Poster Session wurden unter anderem zwei Beiträge vorgestellt, die sich sehr stark mit der Nutzung von Nebenströmen aus der Primärproduktion beschäftigen. Das erste Projekt wurde bereits zuvor auf dem vierten Nationale Ressourcenforum präsentiert. Hierbei beschäftigen sich Forscher der Fachhochschule Salzburg am Campus Kuchl in Kooperation mit der HBLA Ursprung mit einem Reststoff, der in der österreichischen Holzwirtschaft jährlich in großen Massen anfällt, jedoch vordergründig thermisch verwertet wird: Rind. Die in der Rinde enthaltenen Gerbstoff, die so genannten Tannine, lassen sich durch simples Auskochen mit heißem Wasser aus der Rinde lösen. Wird der Kochsud anschließend zu Gülle gegeben, zeigt sich, dass sowohl die Ammoniakabgasung als auch der daraus resultierende Stickstoffverlust um bis zu 60% reduziert werden können. Möglich wird dies durch eine kombinierte Wirkungsweise der Tannine auf die Gülle: zum einen senken diese den pH-Wert so weit ab, dass ein entwichen von Ammoniak in Gasform stark reduziert wird, zum anderen können Tannine Ammoniak chemisch an sich binden, und den Stickstoff dadurch somit längerfristig dem Boden als Nährstoffquelle zur Verfügung stellen.

Das zweite Projekt ist ebenfalls eine Kooperation von FH Salzburg und HBLA Ursprung, allerdings ist die Rohstoffquelle eine gänzlich andere, nämlich die Molkereien. Konkret geht es hierbei um Sauermolke und Spülmlich. Erstere entsteht bei der Herstellung von gewissen Käsesorten und ist, anders als die Süßmolke, defacto nicht zum Verzehr geeignet. Die Spülmilch fällt unter anderem bei der groben Reinigung der Milchtransporter sowie dem Spülen der Rohrleitungen bei Produktumstellungen an. Beide Reststoffe sind reich an Milchsäurebakterien und Laktose, dem Futter, welches die Bakterien zur Herstellung von Milchsäure benötigen. Werden nun Sauermolke oder Spülmilch in die Güllegrube gemischt, findet gleich zu Beginn ein merklicher Abfall des pH-Wertes statt, der wiederum die Stickstoffverluste durch stark vermindertes Abgasen von Ammoniak reduziert. Dadurch, dass die Milchsäurebakterien laufend frische Milchsäure ausscheiden, ist der Effekt über lange Zeiträume zu beobachten.

(Sepperer/RFA)

(23.05.2022)

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