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Produzierende Wirtschaft

Quo vadis, Ressourceneffizienz?

Nach dem Motto: „Keiner weiß alles, aber viele wissen etwas“ trafen sich bei einem Dreiländertreffen Programmverantwortliche, Berater:innen und Interessierte aus Wirtschaft, Verwaltung und Wissenschaft aus Deutschland, der Schweiz und Österreich zum Wissens- und Erfahrungsaustausch.

Ressourcenberatung (Symbolbild); Bildnachweis: pixabay.com
Ressourcenberatung (Symbolbild); Bildnachweis: pixabay.com

D-A-CH-Erfahrungsaustausch zu Programmen, Beratung & Netzwerken

Nach dem Motto: „Keiner weiß alles, aber viele wissen etwas“ trafen sich bei einem Dreiländertreffen Programmverantwortliche, Berater:innen und Interessierte aus Wirtschaft, Verwaltung und Wissenschaft aus Deutschland, der Schweiz und Österreich zum Wissens- und Erfahrungsaustausch. Gemeinsam reflektierten sie die Entstehung, Strukturen und Zukunft der bestehenden Ressourceneffizienz- (und Kreislaufwirtschaftsprogramme) in den Ländern des D-A-CH-Raums und diskutierten im Anschluss, welche Maßnahmen sinnvoll zur Steigerung der betrieblichen Ressourceneffizienz beitragen können und was Berater:innen und Unternehmen dafür als Unterstützung brauchen.

Das Webinar organisiert durch das Ressourcen Forum Austria war Teil der “Webinarreihe zur Förderung von Kreislaufwirtschaftsaktivitäten in Österreichs Produktionsbetrieben“, finanziert durch das Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie. Kooperationspartner waren Reffnet.ch, die Effizienz-Agentur NRW, das VDI Zentrum Ressourceneffizienz, das Netzwerk Ressourceneffizienz sowie STENUM.

Dieses Webinar wurde finanziert durch das:

Ressourceneffizienzprogramme in den Ländern des D-A-CH-Raums

Schweiz: Den Beginn der Darstellung von  Genese, Strukturen und der zukünftigen Entwicklung der Ressourceneffizienz- und Kreislaufwirtschaftsprogramme machte Daniel Zürcher, Leiter der Sektion Innovation am Schweizer Bundesamt für Umwelt (BAFU) gemeinsam mit Laure Hoeppli von der Geschäftsstelle Reffnet.ch. Sie stellten die Entwicklung des zentralen Ressourceneffizienz-Förder- und Beratungsprogramms Reffnet.ch vor. Ein bis 2014 bestehendes Vorläuferprogramm (eco-net) förderte bereits die Abwicklung von Potenzialanalysen zur Reduktion des Ressourcenverbrauchs. Doch zumeist blieb es nur bei Potenzialanalysen und Maßnahmen wurden nicht umgesetzt. Deshalb setzte das 2014 ins Leben gerufene Programm Reffnet.ch neben der Förderung von reinen Potenzialanalysen auf eine höhere Abgeltung bei Maßnahmenplänen mit ausreichendem Reifegrad. Die nach vier Jahren erfolgte Evaluation bestätigte dieses adapatierte Förderregime. Ab 2018 wurden dann überhaupt keine Potenzialanalysen, sondern nur mehr bestätigte Maßnahmenpläne finanziert sowie ein Bonus für tatsächlich umgesetzt Maßnahmen mit real überprüfter Wirkung (berechnet in Umweltbelastungspunkte, THG und monetär) eingeführt. In der aktuell dritten Phase seit 2022 wird dieser Weg fortgeführt. Zudem versucht man die Zahl der Beratungen durch eine Standardisierung bei kleinen Fällen (z.B. in Branchen mit homogenen Prozessen, wie z.B. die Hotellerie) zu erhöhen. Reffnet.ch hat aktuell einen Pool aus 39 Berater:innen, mit welchen man jährlich etwa 60-80 Betriebe berät. Die Struktur sieht neben der Beratung mit der Entwicklung eines Maßnahmenplans samt Bericht und Zertifikat auch ein über fünf Jahre dauerndes Umsetzungsmonitoring vor. Reffnet.ch ist als Verein organisiert, um einen niedrigschwelligen Einstieg für neue Berater:innen zu bieten, keine Verzerrung des Beratermarktes entstehen zu lassen und versteht sich als Bindeglied zwischen allen Schweizer Organisationen beim Thema Ressourceneffizienz.

Deutschland: Maximilian Müller, Teamleiter für Kommunikation und Netzwerke beim VDI Zentrum Ressourceneffizienz, der Martin Vogt, den Leiter des VDI Zentrum Ressourceneffizienz vertrat, ging dann auf die Situation in Deutschland ein. Den programmatischen Bezugspunkt zu allen Ressourceneffizienzmaßnahmen in Deutschland bildet das Programm Progress III, welches im Juni 2020 von der deutschen Bundesregierung beschlossen wurde. Neuerungen in der dritten Auflage von Progress sind die stärkere Betonung der Klimarelevanz von Ressourceneffizienzmaßnahmen und das Hervorheben von Digitalisierung als wichtigen Hebel für mehr Ressourceneffizienz. Neben Progress III hat sich die deutsche Ampelregierung im Koalitionspapier auch eine nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie vorgenommen. Drehkreuz der Vernetzung aller Ressourceneffizienzmaßnahmen in Deutschland ist die nationale Plattform Ressourceneffizienz mit verschiedenen Arbeitsgruppen. Das VDI Zentrum Ressourceneffizienz wurde als Kompetenzzentrum für betriebliche Ressourceneffizienz im Auftrag des BMUV gegründet und steht in enger Kooperation mit allen Einrichtungen der Länder. Dessen Ziel ist die Unterstützung von Maßnahmen zur Reduktion des Materialeinsatzes, im Besonderen von KMU. Das VDI ZRE unterstützt die deutschen Betriebe durch unterschiedliche Werkzeuge (Vorstellung neuer Technologien, Kurzanalysen zu Schwerpunktthemen, Veranstaltungen, Publikationen, Online-Tools, Good Practice Videos aus der betrieblichen Praxis auf eigenem Youtube-Kanal), bietet aber auch Zugang zu Beratung und Weiterbildung. Wesentlicher Faktor für Maßnahmen und Aktivitäten in den Betrieben sind gut ausgebaute Förderprogramme. Für Deutschland hervorzuheben sind hierbei einerseits die „Förderung von Energie- und Ressourceneffizienz in der Wirtschaft“ durch das BMWK sowie die „Förderung von Ressourceneffizienz zirkulärer Produktionsprozesse“ des BMUV.

Österreich: Den Abschluss der Dreiländer-Präsentationen machte Andreas Tschulik, Leiter der Abteilung für integrierte Produktpolitik, betrieblichen Umweltschutz und Umwelttechnologie am österreichischen Klimaschutzministerium mit der Vorstellung der österreichischen Perspektive. Seit 1993 gibt es in Österreich das Umweltförderungsgesetz. Sein Schlüsselinstrument ist das Förderprogramm „Umweltförderung im Inland (UFI)“, welches Unternehmen bei umweltfördernden Maßnahmen unterstützt.  Umwelt- und Ressourcenschutz (sowie seit kurzem auch ganz explizit die Kreislaufwirtschaft) sind die Hauptziele der UFI,  als Sekundärziel weist sie aber auch Wirtschafts- und Beschäftigungswachstum aus. Seit 2001 gibt es im Rahmen der UFI in allen Bundesländern regionale Programme, welche von den Bundesländern und dem Klimaschutzministerium sowie teilweise weiteren Kooperationspartnern finanziell getragen werden. Sie bieten Betrieben und Gemeinden Potentialerhebungen, Beratungen und Workshops in rund 30 verschiedenen gemeinsam definierten Modulen. Jedes Bundesland hat einen eigenen Beraterpool. Die Ergebnisse der Beratungen samt Umwelteffekten werden in einer eigenen Maßnahmendatenbank erfasst. Unter den Beratungsmodulen befindet sich auch ein Modul zu Ressourcen(effizienz)/Abfall. Problem dieses Beratungsmoduls war zu Beginn die unzureichende Qualität und Quantität des Beratungsangebots sowie die schwach ausgeprägte Nachfrage. Deswegen wurde im Rahmen eines Projekts ein praxisorientiertes Beratungstool zur Potenzialanalyse entwickelt, welches dem Beraterpool zur Strukturierung der Beratung zur Verfügung gestellt wurde (www.ressourcenforum.at/ressourcencheck). Im Rahmen der aktuell in finaler Ausarbeitung befindlichen Kreislaufwirtschaftsstrategie soll dieses Potenzialanalysetool zu einem Kreislaufwirtschaftstools ausgebaut werden. Ebenso ist im Rahmen der Kreislaufwirtschaftsstrategie die Entwicklung und Umsetzung eines eigenen Förderbereichs Kreislaufwirtschaft für Betriebe, die Bereitstellung von Schulungs- und Begleitungsangeboten für KMU und die Durchführung einer breiten Informationskampagne für Kreislaufwirtschaft geplant.

Diskussion Dos und Don’ts im Aufbau der Ressourceneffizienzprogramme

In der anschließenden Diskussion wurde zuerst die Frage der notwendigen Allianzen im Aufbau der Programme diskutiert. Daniel Zürcher erwähnte, dass es in der Schweiz sehr von Vorteil war, alle Stakeholder zumindest in einem strategischen Gremium einzubinden und dabei auch das Vertrauen von Unternehmensvertretungen zu gewinnen. Für die beiden ebenso föderal strukturierten Länder Österreich und Deutschland sind die jeweiligen Länderorganisationen mit ihren regionalen Akteuren besonders wichtige Allianzpartner. Sie tragen durch ihr regionales Netzwerk unter anderem dazu bei, das Thema nahe an die Betriebe heranzuführen und haben auch eine besondere Bedeutung im Aufbau des Beraternetzwerkes, ohne welches ein Programm nicht funktionieren kann. Die Berater sind nicht nur für die Umsetzung der Beratungen wichtig, sondern generieren durch ihr bestehendes Netzwerk häufig auch Nachfrage nach Beratungen. Denn gerade diese kommt immer noch zu wenig von Betrieben allein. Doch wie kommt man an gute Berater:innen? In der Schweiz werden diese nicht selbst ausgebildet, sondern erhalten die Zulassung zu Reffnet.ch über eine Probeberatung und anschließender Bewertung. In Deutschland bietet das Zentrum Ressourceneffizienz des VDI strukturierte Weiterbildungen und Beraterkurse sowie Richtlinien zur Beratung. Außerdem gibt es, so wie auch in Österreich regionale Listen registrierte Berater:innen. Zur Qualitätssteigerung findet in Österreich zudem ein laufender Erfahrungsaustausch zwischen den regionalen Programmen und dem Ministerium statt, ebenso in Deutschland. Für die Zukunft wird es wesentlich sein, bestehende Berater:innen als generelle Innovations-Multiplikator:innenn zu verstehen und sie deshalb immer up-to-date in Bezug auf den technologischen und organisatorischen Wandel zu halten.

Aber auch die bestausgebildeten Berater:innen brauchen ein grundsätzliches Bewusstsein bei Betrieben für die ökologische Notwendigkeit und betriebswirtschaftliche Sinnhaftigkeit von Ressourceneffizienz- und Kreislaufwirtschaftsmaßnahmen, doch bislang werden dafür nach wie vor zu wenige Unternehmen erreicht. Die rezenten Material-Versorgungsengpässe und nach wie vor hohe Materialkostenanteile führen aber dazu, dass immer mehr Betriebe oben genanntes Bewusstsein entwickeln. Neben den Marktkräften  tragen auch die politischen Klima- und Ressourcenziele dazu bei. Bis Ressourceneffizienz und Kreislaufwirtschaft dieselbe Bedeutung in der Wirtschaft genießt, wie heute das Thema Energieeffizienz, wird es aber noch einige Zeit brauchen, so die Meinung der Expert:innen.

Erfahrungsaustausch zur Praxis der betrieblichen Ressourcenberatung

Den zweiten Block leitete Henning H. Sittel, von der Effizienz-Agentur NRW mit seinem Erfahrungsbericht aus mehr als 20 Jahren bedarfsorientierter Beratung in Nordrhein-Westfalen ein. Im Zentrum einer jeden Beratung, so Sittel, steht ein betrieblicher Veränderungsprozess, den es zu betreuen gilt. Ausgangspunkt dieses Veränderungsprozesses ist ein betriebsintern gegebener Handlungsbedarf, seien es gestiegene Kapazitätsbedarfe, zu hohe Kosten oder neue Technologien/Prozesse oder Ähnliches. Dieser Handlungsbedarf wird im Rahmen der Beratung (in NRW gibt es kostenfreie Erst-, Ressourceneffizienz- und auch Finanzierungsberatungen) begegnet. Ziel der Beratung ist dabei immer ein Bündel aus ökologischen und ökonomischen Punkten, zugeschnitten auf den konkreten Betrieb. Ganz wichtige Punkte für den Erfolg eines Ressourceneffizienzprogramms sind gemäß Sittel folgende Punkte: Kontinuität, der Aufbau eines guten Netzwerks und der Kontakt zu Betrieben auf Augenhöhe. Kontinuität über einen langen Zeitraum ist wichtig, weil das Thema kein Selbstläufer ist und Betriebe immer wieder darauf hingewiesen werden müssen und langfristig Vertrauen in die Institutionen aufgebaut werden muss. Das aufgebaute Netzwerk (z.B. Wirtschaftsförderung, Finanzbranche, Berater:innen) trägt ebenso bei, das Bewusstsein für das Thema Ressourceneffizienz zu festigen. Mittlerweile kommt ein größerer Teil der Beratungsanfragen direkt über Referenzen dritter Organisationen oder über positiv abgewickelte Projekte. Daneben, so betont Sittel, ist der Kontakt mit Betrieben auf Augenhöhe und auf einer Vertrauensbasis unabdingbar. Dazu muss intensiv auf die Betriebe, ihre Bedürfnisse, Herausforderungen eingegangen werden und in unternehmerischen Kategorien gedacht werden, wenn erklärt wird, warum das Thema Ressourceneffizienz und Kreislaufwirtschaft wichtig, richtig und zukunftsweisend ist.

Tom Koch, Co-Bereichsleiter für Circular Economy bei Rytec Circular & Berater bei Reffnet.ch zeigte dann auf, wie in Reffnet.ch-Beratungen die Potentiale der Kreislaufwirtschaft aufgezeigt werden können. Auch hier hat man die Erfahrung gemacht, dass der reine ökologische Vorteil Betriebe oft nicht überzeugt, wenn es um die Veränderung von Kernprozessen geht. Deshalb plädiert Tom Koch dafür bei der Beratung nicht nur die ökologische, sondern immer auch die ökonomische Brille aufzusetzen. Die zentrale Fragestellung bei einer Kreislaufwirtschaft-Potentialanalyse ist deshalb: „Wie kann das Unternehmen mit Kreislaufwirtschaft konkret Geld verdienen.“ Der Schlüssel liegt, so Koch, oft in angepassten Geschäftsmodellen (zB Performance-basierte Dienstleistungsmodelle, Verkaufsmodelle mit Rücknahmegarantie). Um passende Lösungen für bestehende Probleme zu finden, wird im Rahmen der Potentialanalyse ein Workshop vor Ort im Betrieb durchgeführt. Hier wird unter anderem analysiert, wie das Unternehmen organisiert ist, welche Stärken der Betriebe hat und wo durch Kreislaufwirtschaftsansätze Material- und Nutzungs-Restwerte aktiviert werden können. Hier werden von Rytec alle Prozesse und Akteure entlang des gesamten Zyklus betrachtet, vom Design über Lieferkette und Produktion, Zwischenhändler und Kunden  bis zu Fragen der Wartung/Reparatur, Rücknahme, Remanufacturing und der Lagerung. Zu Schluss werden die Potenziale ökobilanziert.

Publikumsdiskussion: Fachkräftemangel, low hanging fruits, Beraterunterstützung

Wie auch die Wirtschaft, stehen auch die Ressourceneffizienzprogramme vor dem Problem des Fachkräftemangels. Dieser führt einerseits dazu, dass Berater:innen fehlen und die Kapazitäten der bestehenden Berater:innen stark ausgelastet sind, andererseits bedingt der Fachkräftemangel, dass die Ansprechpersonen in den Betrieben stark ausgelastet sind und keine Zeit für Ressourcenprojekte haben. Die Akquise neuer Berater:innen gestaltet sich schwierig, da bestehende Energieeffizienzberater:innen nicht umgehend zu Ressourceneffizienzberater:innen umgeschult werden können. Das Fehlen adäquater Berater:innen stellt mittlerweile das bottle-neck dar Programme dar.

Für neue Berater:innen stellen die bestehenden Leitfäden einen guten Einstieg, im Besonderen bei Standard-Fragestellungen (Nach wie vor bestehen immer noch low-hanging-fruits, die ohne große Investitionen umgesetzt werden können.) dar, denn so können eigene Erfahrungen besser eigeordnet werden. Wissenstransfer über Austausch und Vernetzung ist für Berater:innen und Programme wichtig zum Kompetenzerwerb, denn irgendwer hat ein bestehendes Problem fast immer schon einmal gelöst – und dar Rad muss dann zu einer Poblemlösung nicht immer neu erfunden werden. Der Blick über die Landesgrenzen kann dabei auch besonders hilfreich sein!

Take Home Messages
  • Ressourceneffizienzberatungen sind nirgendwo ein Selbstläufer
  • Es braucht langfristige Strukturen, kompetente Berater und öffentliche Kampagnen
  • Der Aufbau eines Netzwerks mit Wirtschaftsorganisationen, Wirtschaftsförderern und Finanzbranche als Allianzpartner und Multiplikatoren ist wichtig
  • Durch den Fachkräftemangel fehlen Berater:innen, aber auch Ansprechpersonen in Betrieben sind stark ausgelastet
  • Hilfreich zu Qualitätssteigerung: Standards, laufender Austausch, Qualifizierungen
  • Ressourceneffizienz- und Kreislaufwirtschaftsberatung braucht immer einen Austausch auf Augenhöhe: Wichtig auch ökonomische Logik einfließen lassen!

(18.11.2022)

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